Rezension – John Williams: Augustus

Erschienen im Hallo am 31.05.2017, Autor: A. Rüter 

Mit dem posthum veröffentlichten Roman „Stoner“ verschaffte sich der amerikanische Literat John Williams (1922-1994) in Deutschland (2013) eine große Leserschaft. Sein letzter Roman „Augustus“ (1972) wurde in den USA mit dem National Book Award ausgezeichnet. Erst jetzt erschien dieser in einer deutschen Erstausgabe. Beide Werke gelten hierzulande als Bestseller.
Mit seinem Briefroman „Augustus“  taucht der Autor tief in die römische Geschichte ein.
Auf der Basis der historischen Quellen entwirft Williams ein einzigartiges, lebendiges Sittengemälde der römischen Gesellschaft, die nach Caesars Ermordung kurz vor einem Bürgerkrieg steht. Hierfür verwendet er fiktive Briefe und  Tagebuchaufzeichnungen, Memoiren sowie Konsulatsbefehle. Vorherrschende Themen der persönlichen Aufzeichnungen sind Animositäten, Neid und Missgunst, wie auch Einflüsterungen, Intrigen und Bespitzelungen. Allesamt entspringen sie der Imagination des Autors. In diesen fiktiven Quellen kommen so  prominente Akteure wie Marcus Antonius, Cleopatra von Ägypten, der Historienschreiber Titus Livius wie auch die Dichter Horaz und Vergil und sein alter Freund Maecenas, der Gönner der Dichter, zu Wort. 

Im Focus des Romans steht Gaius Octavius Caesar (63.v. Chr.-14 n. Chr.): sein Aufstieg als Caesars Adoptivsohn und Nachfolger, seine Zeit als unumschränkter Staatslenker nach dem Sieg in der Seeschlacht bei Actium über seinen Rivalen Marcus Antonius, seine gesetzgeberische Tätigkeit mit seinem Sittenkodex und sein selbstbestimmter Rückzug ins Privatleben. Die Ehrenbezeichnung  „Augustus“ wurde ihm 27 n. Chr vom Senat als gottähnliche Verehrung in Anerkennung des von ihm nach langjährigem Bürgerkrieg errichteten Friedens im römischen Reich verliehen. Williams‘ Hauptinteresse gilt dabei der menschlichen Seite hinter dem Politiker und Militärherrscher.

Die Ambivalenz einerseits von Machtbewusstsein, strategischer Berechenbarkeit, Unnahbarkeit, Askese und andererseits einem Menschen, der Milde und väterliche Liebe walten lässt, werden von Williams auf einzigartige Weise herausgebildet. So wird seine leibliche Tochter Julia, hochgebildet, von ihm wertschätzend als sein „zweites Rom“ genannt, aus Gründen der Staatsräson mehrfach mit Männern seiner Entourage verheiratet. Der Ehe mit ihrem letzten Mann Tiberius jedoch, von Augustus später als sein Nachfolger adoptiert, entflieht sie in ein ausschweifendes Leben. Von ihrem Vater wird sie dafür auf die einsame Insel Pandateria (heute Ventotene) verbannt. Den Schlussteil des Buches bildet ein langer Brief Augustus‘ an seinen Freund und Biographen Nikolaus von Damaskus. In diesem entwirft er in immer neuen Ansätzen Selbstreflexionen über seine politischen Ämter und die damit einhergehenden Wechselwirkungen mit seiner Person und seinem Wesen. Die Schwächen seiner Mitmenschen wie seine eigenen erkannt zu haben, sei für ihn eine Quelle seiner Macht gewesen. Rätselhaft seien für ihn aber letztlich alle Menschen gewesen, sogar sein eigenes Leben.

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